Die Rolle als Mentorin

Die Rolle als Mentorin

Die Begleitung während der Praxisphase innerhalb des Lehramtstudiums nimmt eine zentrale Funktion in der Professionalisierung angehender Lehrkäfte ein. Deshalb setzt sich die Marburger Lehrkräftebildung eingehend mit der Frage auseinander, wie man Praxisphasen während des Studiums bestmöglich gestalten und organisieren kann.

Im folgenden Interview gibt Susanne Nissen einen Einblick, wie sie Studierende während ihrer Praxisphasen im Marburger Lehramtsstudium als Mentorin begleitet.

Was verbindet Sie mit der Lehrkräftebildung an der Philipps-Universität Marburg?

Meine Mentorinnentätigkeiten in Zusammenarbeit mit der Lehrkräftebildung an der Philipps-Universität Marburg entwickelte sich durch zahlreiche Austauschtreffen und Informationsveranstaltungen. Seit ca. 2012 bin ich als Mentorin tätig. Ich schätze die hohe Qualität der Ausbildung, die geboten wird, indem die Praxisphasen (PraxisStart und PraxisLab) immer im engen Austausch mit dem ZfL stattfinden. Die enge Zusammenarbeit mit der Universität ermöglicht es mir zudem, die neuesten pädagogischen Ansätze und Forschungsergebnisse in meine Mentoring-Arbeit zu integrieren.
Ich kann den Studierenden praxiserprobte Apps, ePortfolios und Materialien im Unterricht in ihrer Anwendung und Einsatzmöglichkeiten mit Erprobungswissen nahebringen. Dadurch trauen sich viele Studierende dies auch selbst in ihren Unterrichtsversuchen anzuwenden. Zudem fühle ich mich der Mission verpflichtet, zukünftige Lehrkräfte durch Weitergabe meiner Erfahrungen sowie Erkenntnisse Impulse auf ihren Weg in ihr Berufsleben mitzugeben. Insgesamt empfinde ich die Zusammenarbeit mit der Universität als gewinnbringend und win-win-Situation.

Welche Aufgaben übernehmen Sie als Mentorin in den schulischen Praxisphasen?

Als Mentorin übernehme ich eine Vielzahl von Aufgaben, darunter die individuelle Unterstützung der Studierenden während ihrer Praxisphasen. Ich strebe die Balance zwischen eigenständigen Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten und strukturierter Hilfestellungen, die sich durch meine jahrelange Erfahrung meiner Betreuungstätigkeiten bewährt haben an. Ich beobachte und gebe Feedback zu ihrem allgemeinen Verhalten während ihres ganzen Praktikums, zu ihrem Unterricht, helfe bei der Planung von Unterrichtseinheiten und stehe als Ansprechpartnerin für Fragen und Herausforderungen zur Verfügung. Zudem führe ich (Abschluss-)Reflexionsgespräche, um die Erfahrungen der Studierenden aus verschiedenen Erfahrungsbereichen zu besprechen und ihre individuelle Entwicklung zu fördern.

Zu meinen Aufgaben als Praktikumsbetreuerin an meiner Schule zählen beispielsweise, neben der Unterstützung der Studierenden während des ganzen Praktikumszeitraums, ein Begrüßungsgespräch und eine Einführung am ersten Tag (Informationen über Eigenheiten der Schule), die Aktualisierung der Orientierungsmappe, Erstellung eines individuellen Stundenplans für die erste Woche und Unterstützung bei der Erstellung der selbst erstellten Stundenplänen, Kontaktaufnahme im Kollegium allgemein, Vermittlung bei Missverständnissen oder Konflikten, Einladung zu schulischen und außerschulischen Aktivitäten (z. B. Kollegiumsaktivitäten, Tagesfahrten, schulinterne Fortbildungen, AG-Treffen, ggf. Konferenzen,…), regelmäßige Zwischengespräche und Feedbacks sowie eine ausführliche Reflexion am Ende des Praktikums.

Wie sehen Sie die Bedeutung der Mentor:innen-Rolle für die Ausbildung der Lehramtsstudierenden?

Die Rolle der Mentorinnen und Mentoren ist von zentraler Bedeutung für die Ausbildung der Lehramtsstudierenden. Wir fungieren als Brücke zwischen Theorie und Praxis und helfen den Studierenden, das im Studium Erlernte in realen Unterrichtssituationen anzuwenden. Durch unsere Unterstützung können sie Selbstvertrauen gewinnen und ihre pädagogischen Fähigkeiten weiterentwickeln, was entscheidend für ihren zukünftigen Erfolg als Lehrkräfte ist. Durch regelmäßigen Austausch und ein wertschätzendes Feedback können die Studierenden ihren Kompetenzzuwachs gespiegelt bekommen und erhalten Gelegenheit für sich selbst bewusste Erkenntnisse für den Fortgang ihrer Ausbildung mitzunehmen. Meistens bestärkt eine erfolgreiche Absolvierung eines Praktikums die Berufswahl der Studierenden und sie freuen sich auf ihren späteren Beruf.

Auf welche Weise unterstützen Sie Studierende in ihrer professionellen Entwicklung, und welche konkreten Lernfortschritte konnten Sie im Verlauf der Praxisphasen wahrnehmen?

Ich unterstütze die Studierenden, indem ich ihnen gezielte Rückmeldungen gebe und sie ermutige, ihre eigenen Verhaltensweisen, Überlegungen und Unterrichtsversuche zu reflektieren. Viele Studierende zeigen im Verlauf der Praxisphasen signifikante Lernfortschritte, wie z. B. eine konkretere/vielseitigere Beobachtungsgabe aufgrund von Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, eine verbesserte Klassenführung (Vertrauen als Lehrperson anerkannt zu werden), differenziertes Bewusstsein für Kompetenzorientierung, eine gezielte Wahrnehmung der Heterogenität unterschiedlicher Berufsschulklassen bzw. Schulformen zu entwickeln, die Wichtigkeit von klaren Phasenwechseln zu erproben, die Fähigkeit, auf unterschiedliche Lernbedürfnisse einzugehen, und ein wachsendes Selbstbewusstsein im Umgang mit Schülerinnen und Schüler. Manche scheuen sich, die Möglichkeiten des Unterrichtens zu nutzen und ihnen wird die Chance verdeutlicht sich in einem geschützten Raum bei ihren „ersten Gehversuchen“ auszuprobieren.

Welche Herausforderungen gehen mit Ihrer Tätigkeit als Mentorin einher?

Eine der größten Herausforderungen ist der Zeitmangel, sowohl für mich als auch für die Studierenden. Oft müssen wir unsere Mentoring-Gespräche in einen vollen Stundenplan integrieren. Zudem kann es schwierig sein, den unterschiedlichen Erfahrungsständen und Bedürfnissen der Studierenden gerecht zu werden. Häufig haben private Verpflichtungen eine hohe Priorität (z. B. Nebenjobs), welche die subjektive Anwesenheitsbereitschaft einschränken kann. Leider fällt es manchen Studierenden noch schwer, die konsumierende „Schülerrolle“ zu verlassen und sich hinsichtlich ihrer Haltung in die Rolle einer Lehrkraft hineinzuversetzen. Deswegen ist es ab und zu eine Herausforderung, die Studierenden in ihrem individuellen Entwicklungsprozess abzuholen.

Wie kann Ihrer Meinung nach das Wissen um diese Herausforderungen genutzt werden, um den Mentoringprozess zu verbessern?

Das Bewusstsein für diese Herausforderungen kann dazu beitragen, realistischere Erwartungen zu setzen und den Mentoringprozess immer weiter zu verbessern. Regelmäßige Schulungen und Austauschformate für Mentorinnen und Mentoren könnten helfen, Strategien zu entwickeln, um Zeit effizienter zu nutzen und Ressourcen besser zu teilen. Bewährte Konzepte oder gute Begleitmaterialien aus den Praktikumsschulen können gesammelt und neuen Mentorinnen und Mentoren zur Verfügung gestellt werden.

Haben Sie Tipps, wie man mit den oft genannten Problemen wie Zeitmangel und fehlenden Ressourcen als Lehrkraft und der Aufgabe des Mentorings umgehen kann?

Ein wichtiger Tipp ist, Prioritäten zu setzen, das Zeitmanagement im Blick zu behalten/zu verbessern und Zeit für fokussierte Reflexionen einzuplanen. Auch die Nutzung digitaler Tools kann helfen, den Austausch zu erleichtern und Dokumentationen zu vereinfachen. Zudem ist es hilfreich, ein Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen aufzubauen, um Ressourcen und Ideen zu teilen. Es müsste von mehr Personenkreisen gleichzeitig die Forderungen nach mehr (Zeit-)Ressourcen für diese Tätigkeiten unterstützt werden. Die Studierenden sind die zukünftigen Lehrkräfte und sollten so gut wie möglich ausgebildet werden! D.h. in diesem Bereich sollten keine Ressourcen gespart, sondern welche investiert werden!

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Mentorings in der Lehrkräftebildung?

Ich sehe die zukünftige Entwicklung des Mentorings in der Lehrkräftebildung in einigen Bereichen als vielversprechend an. Es wird zunehmend erkannt, wie wichtig eine qualitativ hochwertige Mentoring-Beziehung für die Ausbildung von Lehrkräften ist. Ich hoffe, dass die Rolle der Mentorinnen und Mentoren weiter gestärkt wird, indem mehr Ressourcen bereitgestellt werden, um die Ausbildung und Unterstützung von Mentorinnen und Mentoren zu verbessern.

Zudem könnte eine stärkere Vernetzung zwischen Schulen und Universitäten entstehen, um den Austausch von Best Practices zu fördern. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass die Praktikumsbeauftragten jährlich zu einer gemeinsamen Abschlussreflexion mit den Dozentinnen und Dozenten in die Universität zu einer Präsenzveranstaltung eingeladen werden könnten. Somit könnte die Kooperation gestärkt und der Fachbezug zu den Dozentinnen und Dozenten gefördert werden.

Alternativ wäre es wünschenswert, wenn sich die Dozentinnen und Dozenten am Ende des Praktikums digital, ggf. über einen Fragebogen, auch ein Feedback von den Mentorinnen und Mentoren holen würden (so wie sie es sich anonym von den Studierenden einholen), weil sie somit einen Abgleich beider Wahrnehmungsebenen erhalten würden und damit viele Schwierigkeiten in den Praxisphasen vermieden werden könnten. Auch die datenschutzkonforme Integration digitaler Formate in den Mentoring-Prozess wird wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen, um flexiblere und zugänglichere Unterstützung zu bieten.

Haben Sie einen „heißen Tipp“ zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema „Mentoring“? Das kann ein Buch, ein Aufsatz, ein Film, ein Interview etc. sein.

Die Veröffentlichung „Mentoring im Referendariat - eine Black Box?“ von Andrea Gergen kann ich empfehlen, da sich dieses Werk tiefergehend mit den wichtigen Funktionen des Mentoring beschäftigt.
Darüber hinaus halte ich den „Empirischer Beitrag zu Grundlagen, Rahmenbedingungen und Herausforderungen - Lehrkräfte als Mentor*innen in schulpraktischen Studienphasen - Ein systematisches Review nationaler Forschungsarbeiten“ (HLZ 2024) für lesenswert. Beide Ressourcen bieten eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema und können inspirierend für die eigene Mentoring-Praxis sein.

Das Projekt wird im Rahmen des Programms Schule@Zukunft durch das HMWK gefördert.

Bild: Susanne Nissen



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