2. Konkrete Gefahren, Dystopie und Climate Anxiety
2.1 Konkrete Gefahren und Dystopie
Die Dringlichkeit der Klimaschutzmaßnahmen wird in der gegenwärtigen medialen Berichterstattung immer wieder aufgegriffen. Klassische Massenmedien wie auch Social Media-Kanäle versuchen die Botschaft an ein großes Publikum zu vermitteln, indem sie die persönliche Relevanz deutlich machen. Medien und Kanäle suchen nach Publikumsinteresse, um die Beachtung des Themas zu erhöhen.
Die Instagram-Seite der Tagesschau hat beispielsweise folgende Beiträge veröffentlicht:

"Der Klimanotstand führt schon in der Gegenwart zu vermehrten Katastrophen wie Hochwassern, Hitzeperioden, Dürren und Stürmen, die jedes Jahr eine große Zahl an Menschenleben fordern. Der Ausstoß von Gasen, die zur Erwärmung des Weltklimas führen, steigt dabei immer noch stetig (außer 2020 wegen der Corona-Pandemie). Vom Klimanotstand bedingte Katastrophen sind also schon unterhalb jeder Schwelle, die verschiedene Institutioonen festgelegt oder vereinbart haben, in Zukunft vermehrt zu erwarten. Je mehr Schwellen überschritten werden, desto leidvoller wird das Leben für einen Großteil der Menschheit werden. Dazu tritt der Faktor von so genannten "Kippelementen" – Ereignissen, die bei einer bestimmten Erwärmung eintreten und die zu unumkehrbarer und schneller Veränderung des Weltklimas führen. Es ist unbekannt, ob und wann genau solche Kipp-Punkte erreicht werden, das Risiko steigt aber extrem mit der allgemeinen Erwärmung. Ein Kipp-Ereignis kann außerdem weitere Kippelemente in einem Domino-Effekt eintreten lassen. Wenn das passiert, wird auf der Erde ein Klima eintreten, das es vorher noch nie gab. Große Teile der Erde werden dann wahrscheinlich unbewohnbar. (Lenton, Timothy M., Hermann Held, Elmar Kriegler, Jim W. Hall, Wolfgang Lucht, Stefan Rahmstorf, und Hans Joachim Schellnhuber. „Tipping Elements in the Earth’s Climate System“. Proceedings of the National Academy of Sciences 105, Nr. 6 (12. Februar 2008): 1786–93. https://doi.org/10.1073/pnas.0705414105. )" Quelle führt nicht zum Zitat
"Für das Jahr 2020 hat die Weltorganisation für Meterologie (WMO) einen Kohlendioxid (CO2)-Höchstwert innerhalb der Atmosphäre festgestellt (World Meterological Organization Online, 2021). Neben diesem Gas gehören auch Methan (CH4), und Lachgas (N2O) sowie die fluorierten F-Gase: wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW), und Schwefelhexafluorid (SF6), zu den Treibhausgasen. Diese Gase haben sich durch die Nutzung von fossilen Brennstoffen, industrielle Massentierhaltung, die Abholzung von Wäldern und die Verschmutzung und Zerstörung der Weltmeere in ihrer Konzentration in riesigem Ausmaß vervielfacht. Die erhöhte Konzentration gefährdet das Erreichen der Klimaschutzziele des Pariser Abkommens direkt." Nachweis fehlt
In den Massenmedien wird viel über den Klimawandel, die gegenwärtige Situation und mögliche Folgen berichtet. Der abgebildete Instagram-Beitrag der Tagesschau vom 18.09.2021 stellt heraus:
"Die Welt befindet sich auf einem „katastrophalen Weg“ - das hat UN-Generalsekretär António Guterres zum neuen UN-Klimabericht gesagt. Demnach ist eine Erwärmung der Erde um 2,7 Grad absehbar. Die internationale Gemeinschaft würde damit ihr Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung deutlich verfehlen.
In dem Bericht wurden die nationalen Klimaschutz-Verpflichtungen von 191 Ländern im Rahmen des Pariser Klimaabkommens bewertet. Durch das Abkommen soll die Erderwärmung auf unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden - möglichst auf 1,5 Grad.
Im vergangenen Monat hatte der Weltklimarat IPCC gewarnt, dass die globale Durchschnittstemperatur bereits im Jahr 2030 mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen wird - ein Jahrzehnt früher als noch vor drei Jahren prognostiziert" (Tagesschau Instagram 18.09.2021). Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen wird diese Information im Bild mit kurzen Fakten dargestellt. Der Hintergrund soll jedoch die Aufmerksamkeit des Lesers wecken; es wird ein Waldbrand dargestellt.
Ein weiterer Post der Tagesschau berichtet: "Kurz vor Beginn der Weltlimakonferenz COP26 in Glasgow haben die Vereinten Nationen einen neuen Bericht über die aktuelle Klimapolitik der Weltgemeinschaft veröffentlicht: Demnach müssen die Staaten ihre Klimaschutzbemühungen versiebenfachen, wollen sie das eigentlich vereinbarte 1,5-Grad-Ziel erreichen.
Mit den derzeitigen nationalen Klimaschutzplänen lasse sich der Treibhausgasausstoß bis 2030 nur um 7,5 Prozent reduzieren, hieß es in dem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP). Um die Erderwärmung - wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart - bis zum Ende des Jahrhunderts auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, sei aber eine Verringerung um 55 Prozent - also des rund Siebenfachen - notwendig. Nach derzeitigem Stand sei die Welt weiter auf dem Weg zu einer Erderwärmung um 2,7 Grad bis zum Jahr 2100." (Instagram 27.10.2021) Link
Klimaflüchtlinge
Die Dramatik in dieser offensichtlich bevorstehenden Erderwärmung liegt in den Auswirkungen. Ein Temperaturanstieg von 3,2-5,4°C hat immense Folgen. So erwartet Greenpeace beispielsweise 200 Millionen Klimaflüchtlinge, wenn sich der menschengemachte Klimawandel wie bisher fortsetzt (Greenpeace Online, 2014). Durch die Klimaerwärmung verschlechtern sich die Lebensbedingungen, was Millionen Menschen dazu zwingt ihre Heimat zu verlassen, um zu überleben. Dies würde zu einer humanitären Katastrophe führen. Denn verglichen zu dieser von Studien prognostizierten Zahl, hat die Europäische Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 "nur" 1-2 Millionen geflüchtete Personen umfasst.
Fragen, wie "Wo sollen diese 200 Millionen untergebracht werden?", "Wie kann für Sicherheit und wirtschaftliche/politische Sicherheit gesorgt werden?", "Wie sind die Flüchtlinge aufzunehmen ohne Kulturen auszuschließen?", "Wie können diese Massen integriert werden?", "Wie viel Integration ist notwendig?" werden von immer zentralerer Relevanz.
Extreme Wetterverhältnisse
Neben den Klimaflüchtlingen werden Extremereginisse, wie Hitzewellen welche Hitzetote zur Folge haben, erwartet. Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Allergien und einer Verschlimmerung bereits bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Atemwegserkrankungen (Stark, Zusammenfassung). Dies kann durch Tiere oder Erreger in Wasser und Lebensmitteln verursacht werden. Bei einer fortschreitenden Erderwärmung finden einige Erreger bessere Bedingungen für die lokale Ausbreitung (ebd.). Stark nennt dabei vor allem die durch Stechmücken übertragenen Krankheiten wie Chikungunya-, West-Nile-, Dengue-Fieber, Malaria und Leishmaniose.
Zwei Umstände veranlassen einen Anstieg des Meeresspiegels: (1) Durch die Erhöhung des Klimas ist ein Schmelzen der Gletscher und Polkappen abzusehen. Dieses Eis schmilzt und das daraus resultierende Wasser lässt den Meeresspiegel steigen. (2) Das allgemeine Volumen des Meereswassers nimmt durch den Temperaturanstieg zu, da sich Wasser bei Erwärmung ausdehnt (Rahmstorf 1). Jedoch konnten bisher die genauen Prozesse im Kontinentaleis nicht berechnet werden, was nach Rahmstorf zu den wichtigsten Wissenslücken gehöre, welche durch weitere Forschung geschlossen werden müsse, "wenn man die Unsicherheit über die Auswirkungen der Erderwärmung verringern will" (Rahmstorf 2).
Laut Greenpeace wäre der Meeresspiegelanstieg in den nächsten Jahrzehnten kaum aufzuhalten, "denn durch die Vermischung des wärmeren Oberflächenwassers mit den tieferen kühleren Schichten, erwärmen sich die Ozeane weiter. Wenn wir es schaffen, die Lufttemperaturen zu stabilisieren, werden sich die Ozeane erst mit einer Verzögerung von Jahrhunderten nicht weiter erwärmen" (Greenpeace Online).
Durch diesen Anstieg des Meeresspiegels sind einige Gebiete von Überschwämmungen gefährdet. Beispielsweise New York, Norddeutschland, die Niederlande, Belgien, Bangladesch, Miami und einige Teile Australiens würden komplett von der Landkarte verschwinden. Dies wiederum verstärkt den Aspekt der Klimaflüchtlinge, da die dort lebenden Menschen eine neue Heimat finden müssen.
"Die Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab. Das ist zwei- bis dreimal mehr als der entsprechende Durchschnitt im 20. Jahrhundert."
Michael Zemp, Direktor des World Glacier Monitoring Service (Quelle)
Eine überspitzte aber dennoch interessante Veranschaulichung des Problems ist in diesem Video dargestellt:
Mit dem Verkleinern der Lebensfläche auf der Erde und den Menschenmassen, rückt das Problem der Nahrungsversorgung in das Zentrum. Viele der Agrar-Flächen werden nicht mehr existieren, andere werden in Lebensraum umgewandelt, um den Überlebenden und Geflüchteten eine Heimat geben zu können. Der gegenwärtige Lebensstandard, auch bezüglich Lebensmitteln, wird versucht aufrecht zu erhalten. Jedoch benötigt beispielsweise die industrielle Fleischproduktion viel Fläche, die in Zukunft sehr knapp sein könnte. Allein Bangladesch beheimatet aktuell 17 Millionen Menschen. Durch einen Meeresspiegelanstieg um einen Meter würden 17 Prozent der Fläche Bangladeschs überflutet werden (Greenpeace Online). Hierbei wäre die Hälfte der Ackerfläche betroffen – in einem der ärmsten Länder der Welt (ebd.).
Wie dieses Video veranschaulicht, würde durch eine weiter ansteigende Erderwärmung ebenfalls die Artenvielfalt der Tiere abnehmen. Viele der Tiere können sich den Veränderungen des foranschreitenden Klimawandels in der Geschwindigkeit nicht anpassen und sterben somit an deren Folgen. Dies geht soweit, dass viele Spezies bereits jetzt vollständig aussterben.

Worst-Case-Szenario - Representative Concentration Pathway (RCP) 8,5
Der Weltklimarat hat die vier Szenarien RCP 2,6/ RCP 4,5/ RCP 6,0 und RCP 8,5 entwickelt um die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten des Weltklimas darzustellen. Als Maß für diese Veränderung verwendet der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) den sogenannten Strahlungsantrieb, der in Watt pro Quadratmeter (w/m^2) gemessen wird.
Um die internationale, verbindliche Dringlichkeit darzustellen, ist vor allem das Worst-Case-Szenario RCP 8,5 interessant. "Der Wert von 8,5 in dem Szenario steht für einen zusätzlichen Strahlungsantrieb von 8,5 Watt pro Quadratmeter bis 2100. Er beschreibt also, wie viel Wärme die Erde pro Fläche aufnimmt und wie viel sie wieder zurück ins All abstrahlt". (Spiegel Online, 04.08.2020) Hierbei ist es von zentraler Relevanz zu verstehen, dass es sich um eine Möglichkeit handelt. Dieses Szenario stellt eine "Weiter-wie-bisher" Einstellung bezüglich der Klimapolitik von 2010 dar. In diesem Modell sind die fossilen Energieträger noch lange Zeit wirtschaftlich attraktiv. (Quelle)
Diese wissenschaftlich belegte Faktenbasis wird in der Gesellschaft langsam bekannter. Die Zahl derer, die mit Aktivismus und lebensändernden Entscheidungen reagieren, ist vor dem Hintergrund der dramatischen Lage immer noch gering. Dass diese Zahl dennoch steigt, zwingt die Politik zum Handeln. Um der Klimakrise zu begegnen oder diese in ihrem Ausmaß reduzieren zu können, muss die Weltgesellschaft politische Maßnahmen ergreifen, um die eigentlich bereits festgelegten, verbindlichen Klimaschutzziele erreichen zu können. Gegenwärtig ist es noch zweifelhaft, inwiefern die Regierungspolitik in Deutschland solche Maßnahmen einführen wird. (presseportal.de.
Weitere Informationen:
Details zum RCP 8,5-Szenario auf Englisch: Riahi, Keywan, Shilpa Rao, Volker Krey, Cheolhung Cho, Vadim Chirkov, Guenther Fischer, Georg Kindermann, Nebojsa Nakicenovic, und Peter Rafaj. „RCP 8.5—A Scenario of Comparatively High Greenhouse Gas Emissions“. Climatic Change 109, Nr. 1 (13. August 2011): 33. https://doi.org/10.1007/s10584-011-0149-y)
Quellen:
„BUND-Analyse zum Koalitionsvertrag: Gute Impulse - aber nicht auf 1,5-Grad-Pfad | Wirksamkeit von Maßnahmen zum Schutz biologischer Vielfalt unklar“. Zugegriffen 8. Februar 2022. https://www.presseportal.de/pm/7666/5083182.; quarks.de. „Planen die Parteien genug für den Klimaschutz?“, 1. September 2021. https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/planen-die-parteien-genug-fuer-den-klimaschutz/. Zugegriffen 8. Februar 2022).
Abbildungen:
Abb.1 https://www.instagram.com/p/CT9lM8bKYuk/
Abb.2 RCP 8,5. Neil Craik, University of Waterloo. https://climatenexus.org/climate-change-news/rcp-8-5-business-as-usual-or-a-worst-case-scenario/.